November-Erklärung: Für gesellschaftliche Teilhabe durch Bildung
Eine Initiative der Denkwerkstatt »Integration durch Bildung – Für Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt«
Präambel
Wir, die beteiligten Stiftungen der Denkwerkstatt des Netzwerkes Stiftungen und Bildung »Integration durch Bildung – Für Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt« und Unterzeichner der Erklärung (Förderer und Mitstreiter aus dem Netzwerk Stiftungen und Bildung), agieren aus der Stärke einer engagierten und funktionierenden Zivilgesellschaft heraus.
Wir fühlen uns aufgrund unserer großen Anzahl an aktiven Akteurinnen und Akteuren, hoher Kompetenzbündelung und großer Expertise verantwortlich, Positionen und gleichsam handlungsorientierte Lösungen an unsere Gesellschaft zurückzugeben. Nur so kann diese sich sozial und ökonomisch positiv weiterentwickeln. Ohne ein bewusst ausgebildetes Verständnis einer wirkmächtigen Zivilgesellschaft sind die Herausforderungen der massiven gesellschaftlichen Veränderungen, die derzeit von statten gehen, nicht zu stemmen. So haben in der Vergangenheit die Fluchtbewegungen von 2015/2016 gezeigt, wie schnell, leistungsfähig und zusammenhaltend unsere Zivilgesellschaft agieren kann. Daran schließen wir an.
Bildung, in einem umfassenden Verständnis des lebenslangen Lernens, ist das zentrale Instrument zur Teilhabe aller Menschen – unabhängig ihrer Herkunft – an unserer Gesellschaft und mit Zugang in den Arbeitsmarkt. Der Bedarf an Bildung wird weiterwachsen, so dass der Stellenwert von Bildung in der politischen und öffentlichen Wahrnehmung steigen muss.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. In so einem Land sind Diversität und internationale Migration Normalzustand. Das bedeutet auch, dass wir qualifizierte Einwanderung benötigen, um gesellschaftlichen Spielraum und Lebensqualität sicherzustellen. Zudem gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass Fluchtbewegungen, wie auch immer sie stattfinden, noch weiter zunehmen werden – und damit einen gewichtigen Bestandteil der Migration in unserem Lande darstellen. Das bedarf im Übrigen eines verstärkten wertorientierten Bildungsauftrages im Themenfeld der Demokratie. Bildung ist im Stande, Brücken zwischen Menschen zu schaffen.
Um die wachsende Diversität der Gesellschaft in Deutschland anzuerkennen, haben wir aufgrund unserer Erfahrungen ausgewählte Handlungsnotwendigkeiten formuliert, die die Bedeutung von Bildung für gesellschaftliche Teilhabe und Mitgestaltung einbeziehen. Diese sind geeignet, neben der erfolgreichen Integration von Menschen auch eine entsprechend positive Willkommenskultur in unserem Land zu schaffen. Sie ermöglicht, dass sich die Neuankommenden schnell als Teil der (Zivil)Gesellschaft betrachten und sich in sie aktiv einbringen können. Bildung muss gelebtes Bürgerrecht sein, denn nur das sichert, dass die Menschen sich für ihre Bürgergesellschaft einsetzen, in der sie leben – das gilt für alle Bürger, auch für diejenigen, die noch nicht lange in Deutschland leben.
Lassen Sie uns daher gemeinsam die Kraft der Bildung als zentrale Energiequelle für eine erfolgreiche gesellschaftliche Transformation zu einer gelingenden Teilhabe und Mitgestaltung sowie der Sicherung unserer freiheitlichen Demokratie nutzen. Und lassen Sie uns damit jenen Rahmen schaffen, in dem Menschen der Gesellschaft auch etwas zurückgeben können, in der sie willkommen geheißen wurden und an der sie uneingeschränkt teilhaben können.
Thesen und Handlungsnotwendigkeiten
- 1. Bildung muss gelebtes Menschenrecht sein.
Nur so können sich Menschen für ihre Bürgergesellschaft einsetzen, in der sie leben. Dies ist eine Forderung, die für alle Bürgerinnen und Bürger gilt – auch für diejenigen, die noch nicht lange in Deutschland leben.
Gute Beispiele zu dieser These → - 2. Bildung ist mehr als schulische Bildung – und verlangt daher eine umfassende Betrachtung des Bildungskontexts und der Bildungsentwicklung.
Formale, non-formale und informelle Lernwelten und -umgebungen müssen zusammengedacht und gemeinsam entwickelt werden.
Gute Beispiele zu dieser These → - 3. Teilhabe und Chancengerechtigkeit müssen neu definiert und konsequent umgesetzt werden.
Dabei gilt es, überall Hürden zu identifizieren, abzubauen und Zugänge zu schaffen, wie zum Beispiel beim Wahlrecht.
Gute Beispiele zu dieser These → - 4. Öffentliche Diskussion muss anders geführt, Kommunikation verändert und verbreitert werden.
Statt einer andauernden Defizitbetrachtung zu folgen, sollten im öffentlichen Diskurs die beispielhaften positiven Lernerfahrungen und konstruktiven Entwicklungen in den Fokus gerückt sowie die Gelingensfaktoren wie Bildung betont werden.
Gute Beispiele zu dieser These → - 5. Ehrlichkeit im politischen Diskurs ist mehr denn je gefragt.
Integration als Teilhabe und Mitgestaltung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die noch nicht gelöst ist und als Daueraufgabe bestehen bleibt. Dafür müssen adäquat finanzielle und personelle Ressourcen auch für Bildungsangebote zur Verfügung stehen.
- 6. Individuelle Betrachtung von Geflüchteten verlangt individuelles Handeln.
Es muss nach Schutzbedarf gehandelt und Hierarchisierung von Geflüchteten vermieden werden. Dabei muss der Bildungszugang gewährleistet sein.
- 7. Kommunen stärken – Bildung, Integration und Teilhabe müssen kommunale Pflichtaufgabe werden.
Die Anforderungen an die Kommunen sind zahlreich. Freiwillige Aufgaben führen dazu, dass man auf sie (aus Kostengründen) als erstes verzichtet, wenn man wählen kann und muss. Bildung braucht in der öffentlichen Wahrnehmung und im kommunalen Handeln eine andere Gewichtung.
- 8. Vorhandene Strukturen besser nutzen – und dabei Kontinuität und Expertise aus der Zivilgesellschaft sichern.
Es gilt, an Innovationen aus der Zivilgesellschaft anzuknüpfen und diese weiterzuentwickeln, statt immer neue (Bildungs‑)Programme zu starten. Dabei sollten handelnde Personen und Projekte abgesichert und um Anpassungsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeit ergänzt werden, um eine dynamische Projektentwicklung zu gewährleisten.
Gute Beispiele zu dieser These → - 9. Mikroförderung besonders für Bildungsakteure ausbauen.
Es wird mehr verbindliche zielgerichtete (auch staatliche) Förderung benötigt, die ohne bürokratische Hürden auch finanzielle Kleinförderung von zivilgesellschaftlichen Bildungsakteuren vor Ort ermöglicht.
Gute Beispiele zu dieser These → - 10. Weg mit der Vorfinanzierung, Eigenmittel weiter fassen.
Vorfinanzierung ist oftmals eine unüberwindbare Hürde, die gerade kleinere Organisationen an der Umsetzung auch von Bildungsvorhaben hindert. Es würde helfen, wenn Eigenmittel durch Zeit, Strukturen und andere nichtmonetäre Ressourcenäquivalente erbracht werden könnten. Damit würde auch die sozioökonomische Betrachtung mehr Relevanz erhalten.
- 11. Lernen aus der Vergangenheit und von internationalen Erfahrungen und zugleich neue Wege gehen.
Der Blick auf historische Diskurse und auf internationale Entwicklungen hilft, die reale Situation angemessen einzuordnen und darauf aufbauend die Gesellschaft in Bezug auf Teilhabe und Mitgestaltung durch Bildung weiterzuentwickeln.
Die Erklärung wurde am 22. November 2023 verabschiedet.